Prolog 

 

Bereits kurz nach der 2016er Fahrt, begannen die Überlegungen und Planungen für die Tour 2017. Im Herbst verschickte Mane einen Vorschlag, der die allgemeine Zustimmung fand. Am Freitag, den 13.01.2017 trafen wir uns beim Cook und besprachen die Details. Da alle einverstanden waren, konnten die Unterkünfte gebucht werden. Seit dem 26.01.2017 standen alle Übernachtungen fest. 

Jeder Radwurm hatte bis zum Sommer kleinere oder größere Aufträge zu erledigen. Besonders engagiert hat sich auch in diesem Jahr Erwin, der neben vielen anderen Sachen, für eine einheitliche Trikotausstattung gesorgt hat. 

Von allen Radlern wurde die Anfrage von Blüml Sepp, ob er den noch freien Platz besetzen könne, sofort gutgeheißen. Besonders Hans legte Wert darauf, dass Edi eine lange Entscheidungszeit eingeräumt wurde. Was schließlich dazu führte, dass auch Edi mitfahren konnte.

Um es vorweg zu nehmen, es war wieder eine tolle Truppe, die am Freitag, dem 29.07.2017 die Reisevorbereitungen traf. Am Samstag, dem 30.07.2017, machte sich Mane um drei Uhr früh auf den Weg und sammelte seine Radwürmer auf.

1) Samstag, 29.07.2017 von Füssen nach Elbigenalp 

 

Bei der Anfahrt hatte der Kulturbeauftragte einen Rocksong für jeden Radler ausgewählt und mit ein paar Worten erläutert. Hier ist die einzigartige Playlist: 

Hans              „Start me up“                                 The Rolling Stones, 

Mane             „Carry on wayward son“                Kansas, 

Helmut           „Rocky mountain way“                  Joe Walsh, 

Walter            „Shine“                                          Collectiv Soul, 

Erwin             „Call me the breeze“                      Lynyrd Skynyrd, 

Edi                 „Should i stay or should i go?“       The Clash, 

Sepp              „Bad Company“                             Bad Company, 

Horst              „Jailbreak“                                      AC/DC, 

Günther          „Cat scratch fever“                        Ted Nugent. 

Besonders gut ausgestattet waren wir in diesem Jahr mit Bananen. Ein Radler beim Anblick der Südfrüchte: Fährt ein Affe auch mit?

Die Anreise übernahm das bewährte Duo Mane am Steuer und Erwin als Beifahrer. Es dauerte ziemlich lange, bis der schon übliche Verfahrer kurz vor Augsburg eintraf.  

Zwei Minuten später der bisher noch nicht so gekannte zweite Fahrfehler. Der Beifahrer war scheinbar etwas verwirrt, als er bei totaler Finsternis fragte. „Ist es denn schon halb sieben?“. Tatsächlich war es 04.30 Uhr. So schafften wir es die Ankunftszeit in Richtung acht Uhr zu schieben (da öffnen auch die ersten Frühstückslokale!).

Die Tour begann gleich früh morgens mit einem steilen Anstieg über zehn Prozent zum Schloss Neuschwanstein. Bei bestem Wetter bot sich uns nach dem Kraftakt ein überragender Anblick. Man konnte von einem optimalen Einstieg sprechen. Danach fuhren wir einen kleinen Umweg, der uns noch einmal 200 hm einbrachte. Entlang der Vils ging es auf guten Radwegen in Richtung Pfronten. Dort machten wir auch den ersten Halt, so um die Mittagszeit.

Da wir von fleißigen Insekten umringt waren, erläuterte Helmut, der erst einen Imkerkurs gemacht hatte, was gegen Wespen hilft: „Man muss ein braunes Butterpapier zerknüllen und in Augenhöhe aufhängen. Dann denken diese, da haben Artgenossen bereits ein Nest gebaut und fliegen weiter.“ Erwin bestätigte das, er hat das mit einer braunen Filtertüte schon gemacht, es hat gewirkt!

Man lernt nie aus!

Langsam entwickeln sich die bekannten Radler Dialoge.

Walter fragt Erwin: „Trinkst du heute kein Weißbier?“

Erwin hat aber ein Weizen vor sich stehen - Verwunderung!

Wiederum Walter erklärt uns, dass junge Wespen wie die, die uns

gerade umschwirren, noch nicht stechen. Kurz darauf wird er zwei Mal von einem vermutlich frühreifen Exemplar gestochen!

Auch in Pfronten (900 m) haben wir kurzfristig eine Streckenänderung vorgenommen und sind entlang der Steinacher Ache durch eine wunderschöne Landschaft geradelt. Einem Anstieg folgte die Grenze zu Österreich. Nach der Passhöhe „Enge“ (1158 m) kehrten wir bei günstigen Preisen und riesigen Portionen, die wir trotz ordentlichem Hunger nicht bezwingen konnten, kurz vor dem Ort Grähn ein. Ab Grähn waren wir wieder auf der geplanten Route und im Tannheimer Tal.

Radwurm Horst als wir ihn und Edi in Weißenbach treffen, auf die Frage wo er das Bier her hat: „Do drin ware drin“ mit Verweis auf einen Kaufladen.

Am Ende des Tages konnte festgestellt werden, dass wir es doch geschafft hatten bis Weißenbach zwei km auf der geplanten Route zu fahren. Eine Abweichung von ca. 98% ist auch für Radwürmer Verhältnisse relativ viel. 

Bis Elbigenalp ging es nun immer auf geschotterten Radwegen dem Lech entlang. Ein Freibad mit Ausschank nutzten wir für eine Pause - es war schon wieder so schön!

Das Wetter an diesem Tag war sonnig und heiter, aber immer wieder störte ein kalter Wind.

Im „Geierwally-Ort“ Elbigenalp fanden wir eine einfache Unterkunft mit sehr freundlichen Wirtsleuten vor. 

Das bekannte Radler-Wetterglück blieb uns treu, denn das schwere Gewitter in der Nacht hätte uns auch am Tag erwischen können.

Ach ja den Dings-Vergleich des ersten Tages entscheidet Erwin klar für sich. Er hat das verbotene Wort 19 mal ausgesprochen – alle Ehre. 

2) Sonntag, 30.07.2017 von Elbigenalp nach St. Anton

Die letzten Wolken des nächtlichen Gewitters sind abgezogen und ein großartiger Tag liegt vor uns. 

Was ist mit den grundsätzlich kulturfeindlichen Radlern los?

Vor der komplett versammelten Frühstücksmannschaft fragt mich Erwin, ob es heute kein Kulturprogramm gäbe. Ich bin sofort hellwach und kann die Frage mit gutem Gewissen bejahen. „Soll ich euch die heutigen Höhepunkte vortragen?“ Eine clevere Frage! Da die noch morgenmuffeligen Radfahrer nicht sofort ablehnen, springe ich auf und hole meine Mappe. Einzelne Unmutsäußerungen können mich jetzt nicht mehr aufhalten und ich lese meine zweiseitige Aufstellung vor. Es folgten die üblichen Anmerkungen wie: „Das muss aber für heute genügen“ oder „nicht einmal beim Frühstück hat man seine Ruhe“, was ich nach so einem Erfolg gerne hin nehme.

Doch die Radwürmer können heute gar nicht genug Kultur bekommen: Zunächst besuchten wir die Dorfkirche von Elbigenalp, dann nahmen sie auch noch einen heftigen Anstieg in Kauf um die fast 200 m lange Hängebrücke bei Holzgau zu besichtigen.

Bei der Fahrt durch die liebliche Landschaft entschließt sich Hans ein Gruppenfoto von uns zu machen. Seine Anweisung: Ich zähle eins, zwei, auf Hopp springt ihr dann und ich mache ein tolles Foto! Wir machen uns bereit für die Kommandos, doch es macht klick und Hans sagt: „So fertig!“ - Verwunderung!

Dann geht es bei mildem Sommerwetter auf der Hauptstraße hinauf nach Warth. Der Straßenverkehr ist erträglich. Durch Einhausungen geht es in geschlossener Radlerreihe höher und höher, so überwinden wir die ca. 300 hm. Unaufgefordert übernimmt Edi wie immer die Funktion des Schließenden, um bei Problemen helfen zu können. 

Im kleinen Ort essen wir zu Großstadtpreisen Mittag.

Erwin beim Essen: "Seit wir unterwegs sind habe ich noch kein Polizeiauto gesehen!" Ca. zehn Meter hinter ihm steht eines! So hat der Radler der ersten Stunde wieder einmal für gute Laune gesorgt. 

Als ein landschaftlicher Leckerbissen stellt sich die Abfahrt von Warth nach Lech heraus. Auf Helmut und Horsts Ratschlag fahren wir die ca. vier km bergab in Dreiergruppen, um den Autofahrern das Überholen zu erleichtern. 

Zwischen zwei hohen Bergrücken geht es vorbei an herrlichen dunkelgrünen Bergwiesen. Einer optischen Täuschung erliegen dabei fast alle Radler: Man hat den Eindruck es geht geländemäßig bergab, muss aber stark treten und umgekehrt. Oder ist es der Gegenwind, der bei inzwischen hochsommerlichen Temperaturen gern angenommen wird?

Am Ende der Gefällstrecke liegt der wuselige Fremdenverkehrsort Lech. Erwin lässt sein Rad in einem offenen Sportgeschäft (es ist ja Sonntag!) richten. Nach Aufzählung seiner Wünsche gegenüber dem Mechaniker, sorgt er mit einer kleinen Floskel noch für Heiterkeit: "Das kann ja keine Arbeit sein!"   Vom Ort Lech (1600 m) geht es an dem gleichnamigen Fluss 200 hm hinauf zum Flexenpass (1796 m). Das eisklare Wasser imponiert uns. Die Lawinenüberbauungen an der Straße haben den Vorteil, dass es bei der Hitze von 30 Grad zwar schön kühl ist. Aber die Bauten verstärken den Straßenlärm um ein vielfaches, so dass ein entspanntes Fahren nicht möglich ist. Kurz vor der Passhöhe durchqueren wir Zürs, das nur aus riesigen Hotels zu bestehen scheint, die im Sommer aber geschlossen sind.

Alle erreichen erschöpft aber stolz das Ziel. Besonders angetan ist "Flexer" Horst vom Flexenpass.

Da der Arlbergpass für Radfahrer gesperrt ist bleibt uns diese Prüfung erspart. Eine Blechlawine rollt in Richtung St. Anton und hätte das Radfahren fast unmöglich gemacht.  

Unsere Unterkunft in St. Anton überzeugte uns. Zwar waren die Zimmer im Nebengebäude, aber alles war auf das Modernste eingerichtet.

Am Abend kam der Durchlaufkühler zu seinem ersten Einsatz. Er bewährte sich ohne Einschränkungen. Bei schönem Wetter saßen wir vor unserer Unterkunft und konnten die erfrischenden Getränke genießen. Auch die Musik war vom Feinsten. Viele Vorbeifahrende grüßten uns mit neidischen Blicken. Das erste Fassl war viel zu schnell leer, das kann ja noch nicht alles gewesen sein! Walter trug das Nächste mit ausgestreckten Armen über seinem Kopf am Haupthaus vorbei. Einige Angestellte standen bereits an den Fenstern und lachten über die  ungewöhnlichen Gäste im Nebenhaus. Man konnte von ihren Lippen ablesen „Iatz holen die schon das zweite Fassl!“
Als ein Gewitter aufzog (natürlich erst wieder nach unserer Radfahrt) verlegten wir in den für uns optimalen Aufenthaltsraum, den wir nutzen durften.

Erwin schaut Waller an und sagt „trinken wir noch eins Günni?“ - kurze Verwunderung.

Seine Führungsqualitäten konnte Mane bei der Organisation des Abendessens beweisen. Beim Pizzabestellen wollten die Inhaber nicht an uns ausliefern. Erst Manes nachdrückliche Fragen wie "Habts ihr kein Auto?" führte dazu, dass die Sache nach unseren Wünschen ausgeführt wurde. 

Zu fortgeschrittener Stunde spielten wir noch Akinator. Den Höhepunkt setzte natürlich Erwin, der Pippi Langstrumpf in den letzten 30 Jahren sterben ließ. Es entsteht eine rege Diskussion, in der sich Erwin ernsthaft verteidigen muss. Seine Abwehrrede gipfelt in dem Vorwurf:  "Bei mir lasst ihrs nicht gelten, beim Rotkäppchen (auch eine gesuchte und von Edi erkannte Akinatorperson) vorhin, da habt ihr es schon erlaubt!“

Beim Dings-Vergleich ließ sich Helmut an diesem Tag die Vormachtstellung von Erwin nicht mehr gefallen und wies diesen mit 16 Punkten klar in die Schranken. Nicht einmal Platz zwei blieb für Erwin, diesen Rang holte sich mit sieben Punkten Neuwurm Sepp. 

 

3) Montag, 31.07.2017 von St. Anton nach Ischgl

Nach einem Frühstück, das keine Wünsche offen ließ, waren wir bereit für einen denkwürdigen Radwürmertag. Zunächst galt es jedoch den Einstieg in unsere Route zu finden. Als wir den richtigen Radweg hatten, mussten wir ca. zwei km mit einer Steigung von 17 % hinauf! Hätte ich bloß  nicht so viel gefrühstückt!

Der Schrecken fuhr uns in die Glieder, als Mane auf einer vom nächtlichen Gewitter noch glitschigen Holzbrücke stürzte. Zum Glück trug er nur ein paar Schrammen am Fuß davon und konnte die Fahrt fortsetzen.

Wenige Meter später riss Sepp die Kette. Die technische Abteilung der Würmer um Walter und Edi hat schon lange auf einen Einsatz dieser Art gewartet. Die Nagelprobe gelang perfekt und Sepp konnte seine Jungfernfahrt ohne Probleme weiterführen. 
Später konnten die Lallinger Radtechniker nochmal ihr Können beweisen. Ein Pärchen hatte sein Rad abgesperrt (auf 1900 m!!) weil es zu Fuß weiter wollte. Die Radwürmer knackten das Schloss und ersparten den beiden damit wohl viele Schwierigkeiten.

 

Ein anstrengender Anstieg von knapp 400 hm bis zur Konstanzer Hütte (1688 m) auf geschotterten Waldwegen verlangte uns einiges ab, so dass wir uns in der schönen Alpenlandschaft eine Rast gönnten.

Wir wussten, dass nun eine längere Tragepassage vor uns lag. Doch was kam war eine ganz neue Erfahrung, die wir in den vorhergehenden drei Alpenüberquerungen noch nicht gemacht hatten.

Zunächst konnten wir noch fahren und Neuradler Sepp zum 500. Foto (in drei Tagen) gratulieren!

Viele mit Elektro Mountenbike ausgestattete Radfahrer flitzten an uns vorbei, um dann umzudrehen und den Berg wieder runter zu fegen.

Inzwischen sind wir auf über 1800 m. Die Landschaft erinnert an die südamerikanischen Anden. Magere Wiesen, der Gebirgsbach Rosanna und die Steinlandschaft fügen sich zu einer Umgebung zusammen, die uns alle beeindruckt.

Vor uns läuft ein Pfad einen ca. 300 m langen Steilhang hinauf. "Das müssen verrückte sein, die da rauf klettern, mit dem Rad geht das nicht." So unsere Gedanken. Es beginnt zu tröpfeln. Wir sind gut ausgerüstet und ziehen uns entsprechend an.  Eine Gruppe vor uns trägt ihre Räder tatsächlich den Pfad hinauf. Das geht also doch! Hm. Wo geht unser Weg weiter? Es gibt nur den Pfad!

Nun schüttet es, die Steine sind glatt, das Regenwasser hat die Erde aufgeweicht. Bei jedem Schritt muss man sich zwischen glattem Stein und glitschigem, nachgebendem Erdreich entscheiden, bei einer Steigung, die teilweise einiges über 17% beträgt!

Das Regenwasser fließt inzwischen den Pfad hinunter und es wird so steil, dass man bei einem Fehltritt mit dem Rad nach hinten stürzen würde. Die gegenseitige Hilfe, die bei den Radlern selbstverständlich ist, ist nicht mehr möglich, jeder muss sich um sich selbst kümmern.

Gleich haben wir es geschafft nach der Kuppe ist die Heilbronner Hütte. Enttäuschung, denn die Einkehrmöglichkeit ist noch über einen km entfernt. Zumindest hört der Regen auf, die Sonne kommt wieder hervor und es ist bei weitem nicht mehr so steil. Kurz unterhalb des Berghauses führt der Weg an den beiden kleinen Scheidseen vorbei. Eine Postkartenlandschaft eröffnet sich vor uns. Alle erreichen durchnässt, dreckig, erschöpft aber stolz die Hütte.

Ein sagenhaftes Panorama bei Sonnenschein auf 2300 m ist der Lohn für unsere Anstrengungen.

In der Heilbronner Hütte gab es zu ordentlichen Preisen kühle Getränke und große 

Spaghetti Portionen.  

Von der Terrasse der Hütte sehen wir die Wege aus Richtung Ischgl/Galtür. Eigentlich müssten Hans und Erwin da herauf kommen. Tatsächlich wir erkennen zwei Radfahrer, die sich die steilen Wege nach oben kämpfen.

Nachdem die beiden angekommen waren und sich versorgt hatten, begaben wir uns alle auf den Weg nach Ischgl. Eine lange Abfahrt über mehr als 1000 hm lag vor uns. Umgeben von zum Teil noch unberührter Hochgebirgslandschaft ging der Weg steil abwärts. Auf 1800 m  kamen wir an den imposanten Kops-Stausee. Die Radler zogen die Einkehr im nahen Zeinisjoch Haus einer kulturellen Stausee Einweisung vor – tja isso.
In geschlossener Gruppenfahrt geht es durch alpine Sommerwiesen anschließend weiter nach Galtür (1584 m). In Galtür sehen wir die großen Lawinenabweiser, die nach der Katastrophe von 1999, bei der 31 Menschen um ihr Leben kamen, erbaut wurden. Leider haben wir auch keine Zeit um den berühmten Galtürer Enzian zu kosten.
Schließlich erreichen wir das schöne Schadhof-Hotel mit seiner sehr freundlichen Besitzerin in Mathon. 

Wir sind uns alle einig, dass die Auffahrt von Hans und Erwin eine bestimmt vergleichbare Leistung darstellte, wie die der Resttruppe, aus Richtung St. Anton. 

4) Dienstag,  01.08.2017  von Ischgl nach Zuoz

So früh wie möglich machten sich Sepp und ich auf den Weg ins schweizerische S-charl. Die Fahrzeit betrug laut Navi eine Stunde und vierzig Minuten. Die Anfahrt bis zur Schweizer Grenze in Martina verlief problemlos. Für den Fall einer Kontrolle hatten Sepp und ich Ehrlichkeit vereinbart. Tatsächlich hielt uns der Schweizer Grenzwächter an und fragte, ob wir Waren zur Einfuhr anzuzeigen hätten! 

Sepp antwortete etwas verlegen: „65 Liter Bier!“

Der Beamte verzieht keine Miene und sagt „weiter fahren!“

Vielleicht ist das hier gar nicht so selten, dass so kleine Biertransporte die Grenze passieren?

Wir klatschen uns ab und in Scuol fanden wir auch gleich die Straße, die sich in engen Serpentinen nach S-charl hoch windete. Doch dann endete unsere Fahrt an einer Absperrkette. Ein Anruf beim Wirt ergab, dass die einzige Straße in den Ort von einem Gewitter weggeschwemmt wurde. Eine Anreise ist weder zu Fuß noch mit Rad bis auf Weiteres möglich! Die einzige Chance S-charl zu erreichen, wäre mit einem Hubschrauber einzufliegen - Preis: 70 Euro. Ich erkläre dem armen Wirt, dass das für uns wohl nicht in Frage kommt. „Dann kann ich Sie von der Übernachtungsliste streichen?“ Ich: „Ja, so leid es uns tut!“ Dann stutzt der Wirt kurz. Ihr seid doch die neun Radfahrer, die das Murmeltiergulasch bestellt haben? Ja das sind wir. Was mache ich jetzt mit den Murmeltieren? Da können wir dem guten Mann nicht helfen, denn wir haben auch ein Problem – wo sollen wir heute schlafen?

Leichte Panik macht sich in uns breit. Wo finden wir für heute neun Übernachtungsmöglichkeiten? Wir müssen nach Scuol zurück, den Anhänger abstellen und dann alle Hotels und Pensionen abklappern. So der erste Plan. Dann haben wir doch noch eine andere Idee: Vielleicht kann uns das Gästehaus in Zuoz, in dem wir morgen sind, zwei Nächte unterbringen? Jetzt bewährt sich, dass wir die Unterbringungsliste mit allen Daten, insbesondere der Telefonnummern, im Auto haben. Ein Anruf: „Ja geht – Problem gelöst!“

 

In der Zwischenzeit hat die Radgruppe die Bike Arena Ischgl erreicht. Von dort führt die Seilbahn ca. 1300 hm hinauf zum Äußeren Viderjoch (2737 m), das auch Idjoch genannt wird. Mit unserer Ischgler Gästekarte ist die Auffahrt kostenlos. Zunächst geht es mit der Kabinenbahn bis zur Mittelstation. Das letzte Stück fahren wir in einem offenen Sessellift, bei dem das Rad außen an einer Sicherungsstange hängt. Als wir alle gut angekommen waren eröffnete sich uns bei wolkenlosem Himmel eine grandiose Hochgebirgslandschaft. Teilweise waren die 3000er noch schneebedeckt. Kurz nach der Seilbahn stehen wir bereits an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz. Da das Bier im Bus ist sehen wir einer Zollkontrolle, die dann doch nicht stattfindet, gelassen entgegen. Kaum sind wir ein paar Meter auf dem breiten Schotterweg durch die baumlose Stein- und Wiesenlandschaft gefahren, als bereits Hinweisschilder auf die Zollfreioase Compatsch-Samnaun zu sehen sind. Die Landschaft ist von Geröllfeldern, Gebirgswiesen, durch die sich Wanderpfade schlängeln und der Seilbahn, die die Touristen von der Schweizer Seite heraufbefördert, geprägt.

Es geht permanent mit bis zu 22 % nach unten. Mancher Radler denkt sich: „Jetzt wäre mal wieder eine Strecke bergauf gar nicht so schlecht.“ Denn auf dem losen Schotter und dem starken Gefälle ist fahrerisches Können und Konzentration gefordert. Schnell rutscht das Vorderrad weg und man hat in den besonders steilen Abschnitten immer das Gefühl nach vorne zu kippen.
Um dem Kulturbeauftragten zu beweisen, dass morgendliche Kulturvorträge beim Frühstück (Siehe Tag 2) absolut nicht mehr erforderlich sind. Fotografieren die scheinbar von kulturellem Eifer erfüllten Lallinger auch Erläuterungen zur Zirbelkiefer und anderen Pflanzen und Getier. 
Auch unser für heute vorgesehenes Abendessen zeigt sich: Murmeltiere tauchen auf und Edi kann sogar ein paar Bilder von ihnen machen. Erwin füttert den kleinen Nager mit Bananen, die ihm aber nicht schmecken.

Oben kommt die Gruppe in ein Schießtraining von Jägern. 

Zurück zu den beiden Radlern im Fahrzeug. Noch immer euphorisch über das gelöste Unterbringungsproblem gilt es nun das Fahrzeug optimal abzustellen. So circa 10 Kilometer nach Scuol beginnt die Suche. Da wir keinen geeigneten Abstellort finden kommen wir immer weiter Richtung Zuoz. Schließlich erlaubt uns eine freundliche Anwohnerin im schönen Örtchen Susch unser Gespann zu parken. Sepp und ich treten kräftig in die Pedale, um unsere Radfreunde zu treffen. Am Innradweg geht es mit dem Fluss in Richtung Scuol. Doch der Radweg hat es in sich, einmal  200 hm bergan und wieder runter. So geht  es permanent weiter. Wir schaffen kaum Entfernungskilometer! Der Radweg ist auf Grund der schweren Regenfälle der letzten Tage immer wieder gesperrt. Brücken wurden weggeschwemmt und kleine Bachläufe haben zehn Meter breite und vier Meter Tiefe Schneisen in den Radweg geschnitten, die wir nicht überqueren können und umgehen müssen. Der Radweg führt uns ins malerische FTAN (1638 m). Auf zahlreichen Serpentinen rollen wir fast 450 hm! hinab nach Scuol (1198 m).Es wird nun auch wieder 35 Grad heiß und der Schweiß strömt nicht nur bei uns, denn als wir die Radcrew treffen, sind auch diese ganz schön erschöpft.

Bei der ersten Mahlzeit zu schweizerischen Preisen, stellt sich heraus, dass das Transportfahrzeug zu weit entfernt abgestellt wurde. Bei der Hitze dieses Tages und dem permanenten Gegenwind noch einmal fast 20 km auf der Hauptstraße mit einigen giftigen Anstiegen zu fahren, das ist zu viel! Am Bahnhof von Scuol versuchen wir eine andere Anreisemöglichkeit, als mit dem Rad zu finden. Unser kontaktfreudiger Erwin organisiert eine passable Lösung. Zwei Radler fahren mit dem Taxi nach Susch, holen den Transporter, verladen und ab geht es von Scuol ins Quartier nach Zuoz. Ja so machten wir das.
Sepp steuerte den Bus gekonnt zu unserem Gästehaus Convict, das uns in den kommenden zwei Tagen für die heutigen Probleme mit einem entspannten Aufenthalt entschädigen wird.

Das Haus ist sauber, hell und freundlich. Sicher die Zimmer sind nicht groß, aber bei dem schönen Wetter sind wir nur zum schlafen darin, das passt.

Als alle geduscht und einigermaßen eingerichtet sind, wird auf der Terrasse der Durchlaufkühler aufgebaut und die Welt schaut schon wieder viel freundlicher aus.

Zum Abendessen holen Horst und Helmut Pizzas zu Schweizer Preisen, also für 20 Euro aufwärts.

Der Manger des Gästehauses setzt sich auf ein Bier zu uns. Der freundliche Mann gibt uns eine Einweisung in die Schweizer Lebensverhältnisse. Erstaunt sind wir, dass eine Putzfrau 3500 Franken verdient. Gleichzeitig zeigt er uns aber auch auf, dass man kaum eine Eigentumswohnung unter einer Million Franken kaufen kann!

Der angenehme Herr gibt uns Ausflugstipps für den nächsten Tag und bietet uns alle Unterstützung an. Als er nach dem ersten Bier gehen will, lässt das Mane nicht zu: „Auf einem Bein sitzt man nicht!“ So sein abgewandeltes Sprichwort, das den Eidgenossen überzeugt.

Er erklärt uns auch warum überall Feuerwerksböller abgeschossen werden: Es ist Schweizer Nationalfeiertag. 

Dass wir gut untergekommen sind bestätigt uns ein anderer Biker. Er  wollte auch in unser Hotel, denn er hat überall gefragt, die anderen Herbergen verlangen alle mindestens130 Euro! Die sind verrückt! Wir zahlen 45 E. 

Wieder geht ein anstrengender Tag mit ungezählten neuen Eindrücken zu Ende – morgen wird es entspannter – hoffentlich!

 

5) Mittwoch 02.08.2017 Zuoz – St. Moritz - Zuoz

Die Nacht durfte ich mit Helmut und Erwin verbringen. Die beiden als Schnarcher verschrienen Radler gaben nur wenig Anlass zur Klage. Lediglich ein- oder zweimal musste ich mit kräftigem Klatschen für Ruhe sorgen.  Erwin dachte wohl ich applaudiere ihm, weil er seine Arme mitten in der Nacht zur Siegerpose hoch streckte!
Bei Kaiserwetter gab es ein angemessenes Frühstück. Natürlich war Mane wie immer der Erste, der aus dem Bett kam, um bei Sonnenaufgang bereits ein Rauchopfer zu bringen.

 

Heute stand eine einfache Ausfahrt nach St. Moritz auf dem Programm, das nicht einmal 20 km entfernt war. Sepp hatte Erwin bereits einige Male recht locker angesprochen, was Erwin zu der Ermahnung nötigte: „Für die erste Tour bist du ganz schön vorlaut!“

Die Fahrt nach St Moritz verlief wirklich entspannt und erholsam. Was auffiel waren sehr durchtrainierte, vor allem Läuferinnen, die rund um den St. Moritzersee trainierten.

St. Moritz mit See liegt wirklich sehr schön. Überrascht hat uns eine 14 m hohe und 20 m lange Pferdestatue. Wie sich herausstellte wurde sie von einem Hotel für das Pferderennen im Februar 2016 auf dem zugefrorenen St. Moritzer See gebaut. In dem Pferd ist eine Lounge für zehn Personen, die gemietet werden kann! Wir haben davon Abstand genommen. 
Die Innenstadt ist durchaus gepflegt aber wir hatten sie uns noch protziger vorgestellt. Sehenswert ist der schiefe Kirchturm, der 33 m hohe Turm ist um einiges mehr geneigt, als sein Ebenbild in Pisa. Enttäuscht waren wir über die nach unseren Eindrücken ungepflegten Olympiaanlagen von 1928 und 1948. Zum Abschied gönnten wir uns noch einen Milchkaffee für 5 Euro.

Zurück im Gästehaus planten wir für den Nachmittag eine ordentliche Brotzeit, auch um den hohen Preisen in den Gaststätten auszukommen. Eine Einkaufsliste wurde zusammengestellt und Mane kaufte bei einem nahe gelegenen Aldi ordentlich ein. Für knapp 100 Euro wurden alle richtig satt. Das Servicepersonal schaute nicht schlecht, als wir die Brotzeit samt Durchlaufkühler fein säuberlich auf der schattigen Terrasse aufbauten. Erwin erfüllte als Zapfmeister alle Wünsche und die Krönung des Abends waren Sepps Schneemaßen. Leider hatten einige Radler Schleckermäuler das Vanilleeis als Nachspeise gegessen, weshalb nach nur vier! Maßen, schon wieder Schluss war. Hier müssen manche Radler einfach disziplinierter werden und ihren Eigensinn bekämpfen!

Nicht verschwiegen werden soll auch ein dunkles Kapitel. Auf einem nahen Kleinfeldplatz fand ein Fußballvergleich unter Radlern statt. Es spielten die Legenden Walter, Hans und „Flexer“ Horst gegen die oldstars Sepp, Helmut und Günther. Nach dem die zuletzt genannten bereits 3 : 0 führten, verloren sie noch 3 : 5. Das Spiel ging als „die Schmach von Zuoz“ in die Radler Geschichtsbücher ein!

Erwin hatte sich zwar vor einigen Tagen entschieden gegen den „Dings-Wettbewerb“ ausgesprochen, da aber eine Aufbesserung der von ihm verwalteten Radlerkasse in Aussicht stand, machte er mit.

Bis in den lauen Abend hinein saßen wir bei kühlen Getränken zusammen, plauderten und lachten. Für Heiterkeit sorgte wieder unser Erwin, der einige neu ankommende Chinesen, die ängstlich nach dem Eingang ins Gästehaus suchten, mit einem freundlichen und lauten „ja grias eich“ in Empfang nahm. Im Laufe des Abends wurde aus Helmut Udo und noch später Woodoo!?

Die Radler, die bis zum Schluss aushielten, wurden mit einigen sentimentalen Oldies belohnt. Ambros, Neil Young und Metallica um nur einige zu nennen.

 

6) Donnerstag 03.08.2017 von Zuoz an den Comer See

Bei herrlichem Wetter führte der gepflegte Radweg zunächst immer am Inn entlang. Wir erreichen die Oberengadiner Seenplatte.  St. Moritzer See, Champferersee und  Silvaplanersee folgen kurz aufeinander.  Bis zur Ortschaft Sils können wir auf dem teils geteerten, meist aber geschotterten Radweg fahren. Danach müssen wir auf die Hauptstraße mit allerdings erträglichem Verkehr. Entlang des nun folgenden, wunderschönen Silsersees geht es durch eine „Bilderbuchschweiz“. Von der Straße aus sehen wir eine gewaltige Stauseemauer. Das ist der 8 km lange Lago di Lei, der fast vollständig in Italien liegt. Nur die 141 m hohe Staumauer liegt in der Schweiz. Rund um den Piz Timun 3209 m sind auch zwei Gletscher zu sehen.

Nach ca. fünf km erreichen wir den Malojapass (1815 m). Auf einer Strecke von ca. vier km fahren wir bis zum Örtchen Casaccia (1458 m). Dabei geht es fast 400 hm in engen Kurven abwärts. Der Malojapass ist die Wasserscheide zwischen Donau und Po. Hier entspringt auch der Inn und macht sich auf den Weg bis nach Passau. Er ist auch der Namensgeber des En(Inn)gadin. In Casaccia treffen wir das heutige Transportteam Walter und Mane, die schon einen ordentlichen Anstieg überwunden haben. Wir trinken in einer kleinen Bar, entspannt die Sonne genießend, einen Cappuccino, bevor wir unter der Anleitung unserer beiden Scouts geschlossen weiter fahren.

Die Häuschen in den kleinen Ortschaften sehen mit ihren Steindächern hier schon richtig südländisch aus. Auch die ersten Palmen sind in den Hausgärten zu sehen.

Abwechselnd rollen wir durch malerische, enge Dorfgässchen bzw. Fichten- und Laubbaumwälder. Es geht beständig bergab. Wir verlieren uns kurz aus den Augen, aber dank Handy findet sich die Gruppe schnell wieder zusammen.

In Castasegna wird die italienische Grenze erreicht. Der Beamte winkt uns freundlich durch.

Die zahlreichen Wegweiser verwirren mich, doch ein ortskundiger Einheimischer führt uns wieder auf den richtigen Weg.

Unmittelbar vor Chiavenna finden wir direkt am Radweg ein schönes Restaurant. Der Schatten der Laubbäume und unser neuer Begleiter, der Gebirgsbach Giavera, sorgen für etwas Abkühlung in der Mittagshitze. Erwin ist wieder unser Sprachmittler zu der Bedienung. Etwas überrascht sind wir schon über die Literkrüge Bier und die Grillplatte für vier Personen hatten wir auch nicht erwartet. Es war aber alles sehr lecker.

Chiavenna hat eine fast mittelalterliche Innenstadt, die mit unseren Rädern problemlos zu durchqueren ist. In den Außenbezirken verlieren wir den Radweg und müssen ein Stück zurück fahren. Von hier bis nach Bormio, also auf mehr als 150 km, verläuft er fast durchgängig separat von der Straße und ist sauber geteert.

Bei mehr als 30 Grad freuen sich die Radler, als nach ca. acht km der Lago di Mezzola zu sehen ist. Die beiden Seen Lago di Mezzola und Comer See sind durch einen zwei km langen "Kanal" verbunden. Erwin und ich nehmen ein kurzes Bad. Frische Getränke stärken uns für die restlichen sieben km bis Colico, unserem heutigen Ziel.

Leider müssen wir nun auf die stark befahrene Bundesstraße. Erwin unser Sprachtalent erfragt den Weg und so erreichen wir zwar abgekämpft, aber trotzdem dankbar für den tollen Tag, unsere Unterkunft.

Das Hotel Risi liegt unmittelbar am Comer See. Die Zimmer haben Seeblick, sind groß und was bei der Hitze wichtig ist, eine Klimaanlage.

Auf der Piazza direkt am Hotel gibt es alle möglichen Restaurants, trotzdem wählen einige Radler wieder Pizza zum Abendessen. Ein leckeres italienisches Eis beschließt den Abend.

Wieder erwartet uns ein sehr gutes Frühstück.

Freitag 04.08.2017 vom Comer See nach Grosotto

Angeblich war dies die erste Nacht in der Helmut (oder nennt er sich heute Hele, Udo oder Woodoo?) nicht schnarchte. Dafür ruht unser Akinator-Erfinder als Beifahrer im Bus und lässt auch einige Schlafgeräusche hören. Edi steuert den Neunsitzer sicher in Richtung Grosotto. 

Bei den Radfahrern nahm es ein paar Kilometer in Anspruch bis im städtischen Strassengewirr von Colico unser Radweg für die nächsten 100 km gefunden wurde. Der Sentiero Valtellina führte uns fast immer gut ausgeschildert bis nach Bormio. Nur einmal ließen uns die Wegweiser im Stich und wir fuhren 100 hm umsonst. Ein ständiger Begleiter war uns die Adda. Ein ca. 10 m breiter Fluss, der uns aus unserem Zielgebiet, der Ortlerregion mit dem Stilfser Joch, entgegen fließt und in den Comer See mündet.

Dankbar waren wir über den Schatten, den uns die lichten Wälder, durch die wir fuhren, spendeten.

Die Gegend im Veltlin ähnelt der Südtirols: Apfelplantagen, Weinberge und eine reizende Landschaft.

Unsere Mittagspause verbrachten wir in einer Bar, in der es nur aufgewärmte Fertigpizza gab. Bei 42 Grad ist uns das aber auch recht, alle wollen nur kühle Getränke und die bekommen wir.

Kurz vor Grosotto kehren wir noch auf einen Kaffee ein. Erwin fragt eine andere Radgruppe, ob sie ein Sportgeschäft wüssten, denn seine Bremsscheiben seien blau geworden. Darauf der andere Radfahrer: "Irgendwann passen sich die Bremsen halt dem Fahrer an." Erwin erwidert schlagfertig. „Du darfst dein Rauchen aufhören…“

Bei der Anfahrt in Richtung Grosotto kommt ein italienischer Rennradfahrer auf uns zu und sucht das Gespräch.  Es stellt sich heraus, dass er Giuseppe heißt, 80 Jahre alt ist und beim italienischen Militär Kampfpilot war. Mit Bewunderung hören wir, dass er in Kürze an der Rennradweltmeisterschaft für Senioren in Österreich teilnimmt. Giuseppe begleitet uns bis kurz vor das Hotel und erklärt auch noch den weiteren Weg. Zum Abschied versprechen wir ihm, dass wir die WM aufmerksam verfolgen werden. Gut trainiert dürfte er sein, er fährt noch jährlich 8000 km! Mit einem Gruppenfoto und den besten Wünschen gehen wir auseinander.

So angeleitet erreichten wir zu siebt unsere Unterkunft. Edi und Erwin waren noch einige Zeit in einem Radgeschäft um Erwins blaue Bremsscheibe auszutauschen. Angeblich schloss sich an die Reparatur auch noch ein mehr als verdienter Biergartenaufenthalt an.

Inzwischen bauten wir nach langem Überlegen doch noch den Durchlaufkühler auf. Von der Wirtin musste ein Adapter für die italienischen Steckdosen geholt werden, doch auch der passte nicht. Erst als einer von zwei gekauften funktionierte, gab es kühle Getränke. 

Als der Durst gestillt war kam der Hunger. Da es in Grosotto nur ein Lokal gibt gingen wir dorthin - Pizza essen das vierte oder fünfte Mal? Egal, hat trotzdem geschmeckt. Edi verzichtete auf das Essen und reparierte dafür unsere Räder, die doch einigen Verschleiß durch die Belastungen zeigten.

Die Zimmer waren schön und groß. Leider wurde es unter dem Dach sehr warm. Normalerweise stört uns das nicht, im Gegenteil, wir sind oft mit dabei wenn gefeiert wird. Da wir am nächsten Tag aber das Stilfserjoch und 2200 hm vor der Brust hatten, kam die laute Partystimmung bis ins Morgengrauen vor unserem Fenster doch etwas ungelegen.

Samstag, 06.08.2017 von Grosotto aufs Stilfser Joch

 

Mit Respekt, aber auch Vorfreude gingen wir die Herausforderung dieses Tages an. Wie hatte es ein Radler so schön formuliert: „Wir haben bis jetzt noch jede Tour geschafft!“ Es galt mit Überlegung ans Werk zu gehen. Der Wetterbericht sagte für den Nachmittag 17 Grad und einzelne Regenschauer am Passo Stelvio (2720 m) voraus. Entsprechende Kleidung musste mitgeführt werden. Das Auto fuhren Hans und Erwin, sie ermutigten uns „wenn einer was braucht oder Probleme hat, wir kommen und unterstützen euch!“ Also konnte nicht mehr viel schief gehen. Beruhigt widmeten wir uns wieder dem sehr leckeren Frühstück, das für jeden Geschmack etwas bot.

Erwin kam ein paar Minuten später, dafür aber barfuß, er fand seine Schuhe nicht mehr – auch kein Problem, er hatte sie bald wieder.

Wir starteten unsere Fahrt locker dahin rollend, wie immer gegen 08.30 Uhr und verabschiedeten uns vom schönen Grosotto (590 m). Der stetig bergan führende Radweg war um diese Zeit noch wenig befahren. Vorbei am Städtchen Sondalo (940 m) ging es immer der Adda entlang bis kurz vor Bormio, dort trafen alle Radler noch einmal zusammen. Das Fahrzeug stand im bekannten Wintersportort Bormio (1225 m).

 

Vor dem Beginn der 36 Serpentinen wollten wir noch einmal kurz einkehren, denn wir hatten heute bereits über 600 hm überwunden. Noch ein kurzer Stopp am Kfz, wo die Kleidung angepasst wurde, denn es war wieder sehr warm geworden.

 

Dann ging es los. Mane und Walter fuhren voraus und entschwanden schnell unserem Blick. Helmut, Horst, Sepp, Günther und Edi bildeten auch eine Gruppe. Wobei Edi wieder auf sein Vergnügen verzichtete und uns als Betreuer nach oben begleitete.

 

Vierzehn Dreitausender gibt es im Ortlergebiet und der Nationalpark Stilfser Joch hat die gigantische Ausdehnung von 1.346qkm. Seit 1815 gehörte die Lombardei, wie auch das heutige Südtirol zu Österreich. 1820 gab daher Kaiser Franz I den Bau der Stilfser Joch Straße in Auftrag. 1859 viel die Lombardei an das Königreich Italien. Kaum vorstellbar aber im Jahre 1904 wurde das Radfahren vorübergehend auf dieser Straße verboten und ab 1911 ein Tempolimit von 15km/h eingeführt.

 

Die durchschnittliche Steigung beträgt 7 % (steilstes Stück 12%). Bei einer Gesamtlänge von 22 km entspricht dies der Ehrenkategorie bei der Tour de France.

 

Die körperlichen Herausforderungen sind das Eine, es galt aber auch den Verkehr im Auge zu behalten. Neben PKW sind zahlreiche Wohnmobile und fast ohne Unterbrechung Motorräder auf dieser Strecke unterwegs. Nach einigen Kilometern kommen unbeleuchtete Tunnel und Überbauungen dazu. Wer nicht ganz schwindelfrei ist, sollte bei einigen Passagen nicht nach unten ins Tal schauen!

Relativ schnell hatten wir fünf unseren Rhythmus gefunden, so ca. alle 150 hm machten wir eine Trinkpause, das war bei bis zu 37 Grad absolut notwendig. Im Nachhinein konnten wir beobachten wie fast jeder einmal ein Tief hatte. Doch mit gegenseitiger Unterstützung und Motivation arbeiteten wir uns Serpentine um Serpentine nach oben.

Auf ca. 2100 m kam genau zum richtigen Zeitpunkt eine einzelne Gaststätte. Ich glaube, dass dieser Kiosk bzw. Bar eine Einrichtung des Nationalparks ist, wie bei uns die Bergwachthütte oder ähnliches. Nachdem der erste Durst mit kühlen Getränken gelöscht war, machte der freundliche Inhaber extra für uns Spaghetti mit Hackfleischsoße. Als Vorspeise bekamen wir ein ordentliches Stück Käse und Brot, was wir gerne annahmen. Als es zum Zahlen war hatte jeder von uns drei Getränke, Käse, Brot und die Spaghetti. Wir rechneten mit einer angemessenen Rechnung an diesem doch extravaganten Ort. Er verlangte elf Euro pro Person. Das war sehr wenig, auch das Trinkgeld, das wir ihm geben wollten war ihm zu viel und er gab uns einiges wieder zurück! Nach kurzem Überlegen stellte sich uns die Frage war das Gastfreundschaft oder Mitleid, weil wir schon so abgekämpft aussahen?

 

Es lagen noch über 600 Höhenmeter vor uns! Sieben Kehren kletterten wir hoch, dann kam eine ca. 3 km lange gerade Strecke mit etwas geringerer Steigung. Die Adda ist hier oben zu einem Gebirgsbach von etwa einem m Breite geschrumpft. Immer wieder nutzen Autofahrer Buchten und Wege um bei über 30 Grad in den Bergwiesen zu liegen oder sich in dem sicherlich herrlich kühlen Wasser zu erfrischen. Sollten wir das nicht auch machen? Geht es uns durch den Kopf, doch wir radeln weiter. Kurz vor dem Umbrailpass (2501 m), der in die nur wenige Meter entfernte Schweiz führt, beginnen die Kehren wieder und die Straße wird merklich steiler. Gut, dass uns Erwin entgegen gefahren ist und uns mit Wasser und aufmunternden Worten versorgt. Die letzten zwei Kilometer sind wirklich kein Vergnügen, aber alle kämpfen sich durch. Natürlich werden Fotos am Gipfelschild gemacht. Es stimmt, das Stilfser Joch ist der höchstgelegene Rummelplatz Europas. Alles ist voll mit Verkaufsständen, Autos, Touristen, Motorrädern usw.

Mane und Walter waren schon länger am Ziel und wir beglückwünschten uns gegenseitig zu dieser wirklich respektablen Leistung.

Als wieder alle frisch waren nutzten wir das schöne Wetter auf der 2800 m hoch gelegenen Sonnenterrasse der „Tibet Hütte“ und löschten unseren Durst. Bei diesem herrlichen Panorama gönnten wir uns auch ein gutes Abendessen. Dieter, der Ober unseres Vertrauens, erzählte uns einiges über Land und Leute. Besonders erstaunte uns, dass die Grenze zwischen der italienischen Lombardei (Bezirk: Oberes Veltlin) und Südtirol (Bezirk: Vinschgau) genau über das Stilfser Joch verlief. Unser Hotel und die Tibet Hütte waren schon südtiroler Gebiet.

 Als es bei Sonnenuntergang dann doch etwas frisch wurde verabschiedeten wir uns vom freundlichen Personal der Hütte und gingen zu unserem Nachtquartier wenige hundert Meter entfernt.

Der vor wenigen Stunden noch von Ausflugstouristen überfüllte Platz war nun menschenleer und wir konnten den einmaligen Ausblick in Ruhe genießen.

Das Hotel Pirovano direkt an der Passhöhe ist bereits in die Jahre gekommen. Selbst Hans, der schon viele ältere Gebäude saniert hat, staunte über die altmodischen sanitären Einrichtungen. Das wussten wir bei der Buchung bereits und haben uns trotzdem wegen der Lage dafür entschieden.

Übrigens wurde an diesem 06. August auf dem nahen Gletscher dort oben noch Ski gefahren! Am Mittwoch der auf unseren Aufenthalt folgenden Woche war der Berg komplett mit einer 10 cm dicken Schneeschicht bedeckt.

Für einen Absacker trafen wir uns noch in der Bar. Erwin konnte den DJ animieren ein paar angemessene Songs für uns auf seinem Laptop zu suchen. Dafür spielte er mit seiner Familie UNO.

In der Nacht regnete es kurz.

Beim Thema Frühstück kann ich mich nur wiederholen, es war wie in allen unseren Unterkünften sehr gut.

Sonntag, 07.08.2017 vom Stilfser Joch nach Nauders

Viel zu schnell galt es schon wieder Abschied zu nehmen vom Stilfser Joch. Alles war verpackt und Sepp übernahm die Abfahrt nach Prad. Zunächst schien es, als würde unser Wetterglück anhalten, denn entgegen der Vorhersagen kam die Sonne wieder durch.
Ein grandioser Mix aus Wolken, Nebelfetzen und Sonne bildete den äußeren Rahmen für die Abfahrt nach Prad. Auf einer Strecke von mehr als 15 km ging es ca. 2200 hm auf den genialen 48 Kehren hinunter! Wie immer gingen wir die Abfahrt vorsichtig und mit Überlegung an. Noch so mancher stolze Blick wurde zurück auf den immer kleiner werdenden Ortler-Gletscher über uns gerichtet. Auch das hatten wir geschafft!
Die schlechte Wetterprognose hatte den Vorteil, dass fast niemand die Straße zum Pass hinauf fuhr, so kamen wir mit Bus und Hänger gut voran. Kurz vor Prad hatte Helmut Bremsprobleme und fuhr im Bus mit. Gerne schwang sich Sepp dafür auf den Fahrradsattel. Helmut und ich waren bald in Nauders. Wir beeilten uns alles zu erledigen und machten uns eilig auf den Weg um der Radlergruppe entgegen zu fahren. Doch wir kamen nur bis zum Reschensee, da die Wolken immer dunkler wurden. Nach heftigem Regen folgten auch Blitz und Donner. So blieb uns nichts anderes übrig, als Schutz unter einem Dach zu suchen, um auf eine Wetterbesserung zu hoffen. 

Unsere Radgruppe wollte nicht abgeholt werden und kämpfte sich nass bis auf die Haut zum Hotel Edelweiß durch. Schnell waren die Zimmer bezogen. Ein gemütlicher Nachmittag mit Hallenbad, Sauna und Bierstüberl entschädigte uns für den Regen. Da wir in den letzten Tagen häufig Pizza zum Essen hatten war das Abendessen mit freundlicher Bedienung, Suppe und Salat im Hotel Edelweiß etwas Besonderes. Es schmeckte allen.
Kulturell ein kleiner Rückschritt war der Zirben-Schnaps, der von ein paar Radwürmern zur Verdauung bestellt wurde. Es fiel nämlich der Begriff „Holzschnaps“.
An der Tischtennisplatte im Keller des Hotels gab es dann noch einige hochklassige Doppelspiele. Angeleitet von Helmut, der die Regeln wusste, wurde gekonnt geschmettert und abgewehrt. Bei einem letzten Gläschen holten wir uns die nötige Bettschwere für die Nacht.

Montag, 08.08.2017 von Nauders nach Hause

Welche Überraschung, auch das letzte Frühstück der Radwürmertour 2017 begeisterte uns. Wie eine perfekt geölte Maschine erfolgte das Verladen der Räder. Nichts vergessen? Alles verkehrssicher? So machten wir uns auf den Weg nach Hause. Jeder Radler freute sich schon wieder auf seine Lieben zu Hause.
Hans fuhr den ganzen Weg durch und brachte uns sicher nach Hause.
Als Fazit dieser Tour ist festzustellen: Verglichen mit unseren bisherigen  Alpenfahrten waren die Herausforderungen im Hinblick auf Strecken und Höhenmeter dieses Mal eindeutig größer. Gemäß unserem Motto „wir haben bisher noch alles geschafft“ war die Rundfahrt 2017 anstrengend aber für jeden von uns leistbar.

Es gilt aber zu bedenken, dass einige der geplanten Strecken ausgefallen sind! Bei unseren  Rückblicken werden wir sicher die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Ohne uns zu überschätzen, hat sich auch dieses Jahr wieder bestätigt, dass es so eine gut harmonierende, eingespielte Truppe nicht sehr häufig gibt. Wie jeder von uns weiß ist es ein Glücksfall, dass wir uns so gefunden haben und ein Privileg für jeden dabei sein zu dürfen.

Bereits jetzt freuen wir uns auf die Tour 2018, egal was Mane wieder auspackt:
 „wir haben bisher noch alles geschafft“!